„Runder Tisch gegen Linksextremismus“: AfD Passau gründet rechtes Tarnprojekt

Vor einigen Tagen wurde in Passau auf Initiative lokaler AfD-Funktionäre der Verein „Runder Tisch gegen Linksextremismus“ gegründet. Mit dem Motto „Brücken bauen für Respekt und Demokratie – Gemeinsam gegen Extremismus in Passau“ soll der Anschein einer zivilgesellschaftlichen und demokratischen Initiative geschaffen werden. Inhaltlich soll der Verein laut eigenen Angaben die Passauer Gesellschaft über „Linksextremismus und Linksfaschismus“ aufklären, sowie potenzielle Opfer vermeintlich linksextremer Diskriminierung beratend und finanziell unterstützen; auf längerfristige Sicht soll damit eine „unabhängige Beratungsstelle“ geschaffen werden.

Gegenprotest bei einer AfD-Aktion in Passau, August 2023.

Dass es sich bei diesem Verein in erster Linie um den Versuch handelt, eine Art Anti-Antifa-Plattform hochzuziehen, wird schnell klar, wenn man die Präambel der Satzung liest: Darin ist die Rede von einer „Handvoll bezahlter Linksradikaler Extremisten ,wie die Antifa und einige wenige radikale Studenten, die nur in Passau studieren“; außerdem wolle man aufzeigen, „welche Politiker, Parteien und Verbände diese Linksfaschistische Terrorgruppierung finanziell unterstützen“. Der Mythos, dass es sich bei linken und vor allem antifaschistischen Aktivist:innen um bezahlte „Berufsdemonstierende“ handeln würde, ist eine häufig verwendete Methode rechter bis rechtsextremer Akteur:innen und Organisationen, um antifaschistische Proteste zu delegitimieren. Gleiches gilt auch für den Kampfbegriff des „Linksfaschismus“ sowie der Bezeichnung linker Gruppen als „Terrorgruppierungen“.

Auffällig ist, dass der Verein in den bisher veröffentlichten Beiträgen durchaus auch die Nähe zu Parteien wie CSU und Freien Wählern sucht: So wird in einem Text, welcher als Reaktion auf die zivilgesellschaftliche Demo gegen Rechtsextremismus am 27.01. veröffentlicht wurde, explizit darauf hingewiesen, dass sich diese Demonstrationen neben der AfD auch gegen CSU und FW richten würden. Man versucht also aktiv, anders als es bei der AfD meist üblich ist, diese Parteien nicht als Teil des „Mainstreams“ einzuordnen, sondern sie in eine gleiche Position wie die AfD zu bringen und damit eine Art gemeinsamen Gegner zu erschaffen. In einem anderen Artikel solidarisiert sich der RTGL mit dem Passauer Professor und CSU-Funktionär Holm Putzke; dieser wurde in der Vergangenheit bereits mehrmals aufgrund seiner rechtsoffenen Positionen von linken Studierendenvertretungen und anderen politischen Gruppen kritisiert.

Auch wenn sich der Verein offiziell überparteilich gibt, stellt man spätestens bei der personellen Zusammensetzung schnell fest, dass es sich um ein Tarnprojekt der AfD handelt: Vorsitzender des Vereins ist der Passauer AfD-Stadtrat Robert Schregle. Dieser ist seit 2013 für die AfD aktiv und fiel in der Vergangenheit hauptsächlich damit auf, dass er auf Facebook eine große Menge teils strafrechtlich relevanter diskriminierender Postings veröffentlichte (Übersicht). Sein Stellvertreter ist Hans D., welcher sich im direkten Umfeld der Partei bewegt und bereits mehrmals bei Veranstaltungen unliebsame Pressevertreter:innen bedrängte. Bei einer AfD-Aktion im Sommer 2023 zeigte D. einem anwesenden Journalisten einen Zettel mit Bildern Passauer Journalist:innen, mit welchem er versuchte, diese zu identifizieren. In der Satzung des Vereins wird außerdem der extrem rechte Landtagsabgeordnete und Vorsitzende der Passauer AfD Ralf Stadler als Schirmherr und Initiator genannt. Die weiteren Vorstandsmitglieder Erich B., Daniel A. und Daniel B. entstammen ebenfalls dem Parteiumfeld. Als Kontaktadresse wird das Restaurant „Kirchenwirt“ in Sammarei (Gemeinde Ortenburg, Lkr. Passau) angegeben. Dort soll am 04.02. auch die Gründungsversammlung eines „überparteilichen“ landwirtschaftlichen Verbandes stattfinden, ebenfalls initiiert von Ralf Stadler.

Beide diese Gründungen stellen offensichtlich einen Versuch der Passauer AfD, insbesondere Stadlers da, unter neuen Labeln ihre Positionen zu verbreiten. Die Taktik, neue Strukturen mit gleichen Akteur:innen aufzubauen, um damit neue Themenschwerpunkte zu eröffnen oder einen Aufschwung an Popularität zu erhalten ist in der rechtsextremen Szene mittlerweile Standard: Ein Beispiel dafür wäre etwa die Aufsplitterung und Neubenennung von Strukturen der ehemaligen „Identitären Bewegung“. Gerade in Passau-Stadt ist die AfD bei den allermeisten Aktionen von zahlenmäßig klar überlegenem Gegenprotest begleitet, auch die Suche nach Veranstaltungsräumen im westlichen Landkreis gestaltete sich schwer. Mit der Gründung eines landwirtschaftlichen Verbandes will man offensichtlich Anschluss an die aktuellen Proteste der Landwirt:innen finden, während man durch den Aufbau von Strukturen gegen vermeintlich linksextreme Diskriminierung versucht, den aktuellen Diskurs weg vom Fokus auf Rechtsextremismus zu lenken. Offen bleibt, ob sich auch andere Gruppen oder Parteien, beziehungsweise deren Mitglieder, diesen neuen Strukturen annähern.

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