Wiener Akademikerball erneut von Protesten begleitet

In der österreichischen Hauptstadt Wien wurde vergangene Woche mehrmals gegen rechtsextreme Burschenschafter demonstriert. Anlass dafür war der jährlich in der Wiener Hofburg stattfindende Akademikerball, welcher von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) veranstaltet wird.

Beim Wiener Akademikerball handelt es sich um das Nachfolge-Event des 2012 zum letzten Mal stattgefundenen WKR-Balls. Der WKR (Wiener Korporations-Ring) ist ein Zusammenschluss mehrerer Wiener Studentenverbindungen, darunter hauptsächlich schlagende deutschnationale Burschenschaften, welche zu großen Teilen ideologische und personelle Überschneidungen zum österreichischen Rechtsextremismus aufweisen. Beispiele dafür wären die FPÖ-Nationalratsabgeordneten Udo Guggenbichler (Albia Wien) und Martin Graf (Olympia Wien), sowie die rechtsextremen „Identitären“ Martin Sellner, Gernot Schmidt und Alexander Markovics (alle ebenfalls Olympia). Der Akademikerball galt wie der WKR-Ball lange zeit als ein Vernetzungstreffen der europäischen Rechten, häufig besucht von VertreterInnen anderer rechter Parteien wie der deutschen AfD oder des französischen Rassemblement National. Diese Rolle ist zwar mittlerweile etwas kleiner geworden, dennoch treffen sich immer noch PolitikerInnen der FPÖ mit außerparlamentarischen Rechtsextremen; dieses Jahr waren beispielsweise neben Nationalratsvizepräsident Norbert Hofer (FPÖ) auch der ehemalige FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache sowie der bereits erwähnte Rechtsextremist Martin Sellner anwesend.

Antifaschistischer „Budenbummel“.
(Bild: Heribert Knips)

Der Ball wird traditionell von antifaschistischen Gegenprotesten begleitet: Auch dieses Jahr fanden mehrere Demos statt. So zog bereits zwei Tage zuvor ein antifaschistischer „Budenbummel“ mit etwa 700 Teilnehmenden durch den 8. Wiener Gemeindebezirk, in welchem sich überdurchschnittlich viele Burschenschaftshäuser (sog. Buden) befinden. In den letzten Jahren ging die Demo dabei direkt an mehreren Buden vorbei, dies wurde dieses Jahr von der Polizei jedoch untersagt. Während der Demo wurden die Burschenschaften und andere rechtsextreme Räume, welche im 8. Bezirk liegen, vorgestellt. Der Budenbummel konnte ohne Zwischenfälle von der Universität Wien zum Denkmal für die zerstörte Synagoge in der Neudeggergasse gehen. Vereinzelt wurde Pyrotechnik gezündet.

Am Abend des Balls fand die Demonstration des Bündnisses „Offensive gegen Rechts“ statt. Im Vorfeld kam es hier zu Zerwürfnissen, nachdem einige Gruppen das Bündnis verlassen hatten, um gegen die Beteiligung mehrerer Organisationen zu protestieren, welche sich im Nachgang des terroristischen Massakers der Hamas am 07.10.2023 mehrmals antisemitisch geäußert hatten. Besagte Organisationen, namentlich „Young Struggle“ und „Der Funke“ liefen im Frontblock der Demo. Mit einer geschätzten Zahl von etwa 2000 Teilnehmenden war die Demonstration deutlich kleiner als die Jahre zuvor. Neben den bereits erwähnten Gruppen beteiligten sich unter anderem auch die „Omas gegen Rechts“, „SOS Balkanroute“ sowie die Vorfeldorganisationen der Sozialdemokratischen Partei Österreichs. Auch hier wurde mehrmals Pyro gezündet. Vereinzelt gab es Pöbeleien durch zuschauende Rechtsextreme, außerdem wurde die Demonstration von Mitgliedern des rechtsextremen Projekts „SGB-Media“  abfotografiert. Die Demo endete am Stephansplatz, von wo aus sich die Teilnehmenden zerstreuten.

Die Polizei verfolgt Antifaschist:innen durch den Rathauspark.

Nach der OgR-Demonstration fanden noch mehrere angemeldete Kundgebungen am Rande der polizeilichen Sperrzone statt, eine davon am Burgtheater. Dort entwickelte sich aus einer sehr dynamischen Situation heraus eine Spontandemonstration mit circa 70 Teilnehmenden, welche zunächst auf die Ringstraße zog, dort aufgrund einer Polizeisperre allerdings durch den Rathauspark auswich und Richtung 8. Bezirk zog. Die Demonstrierenden bewegten sich teilweise laufend über die Oberlandesgerichtsstraße, wo noch einmal Pyrotechnik gezündet wurde, bevor sich die Demo spontan auflöste. Eine Person wurde dabei gewaltsam von einem Polizisten zu Boden gestoßen; am Parlament wurde außerdem eine Personengruppe von der Polizei festgesetzt und ihre Identitäten festgestellt, ob es sich hierbei wirklich um Teilnehmende der Spontandemonstration gehandelt hat, lässt sich nicht sicher sagen.

Die Polizei war wie bereits in den vergangenen Jahren mit einem Großaufgebot im Einsatz; um die Hofburg herum gab es eine Sperrzone, welche von Journalist:innen nur mit vorheriger Akkreditierung betreten werden durfte. Teilweise berichteten Pressevertreter:innen außerdem von einer aktiven Behinderung ihrer Arbeit durch die Polizei, indem beispielsweise Polizist:innen vor Kameras positioniert wurden. Während die Signifikanz des Balls als Vernetzungstreffen dagegen in den letzten Jahren stetig gesunken ist, bleibt abzuwarten, ob diese Entwicklung im Zuge einer potenziellen FPÖ-Regierungsbeteiligung nach den nächsten Nationalratswahlen weiterhin anhält, oder ob der Akademikerball wieder ein bedeutenderes Event für die europäische Rechte wird.

Alle Bildrechte (sofern nicht anders gekennzeichnet) liegen bei radikal trivial.

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